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Erklärung der Internationalen Bewegung des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds zur aktuellen Debatte rund um Rassismus und Ausgrenzung

In Folge des traurigen Todes von George Floyd in den USA ist eine weltweite
Debatte entfacht, die die Themen Rassismus und Diskriminierung in den Fokus
rückt. Wir freuen uns sehr, dass Jagan Chapagain, Generalsekretär des IFRC und
Robert Mardini, Generaldirektor des ICRC, diese Debatte aufgegriffen haben
und eine gemeinsame Erklärung herausgegeben haben.
In der nachfolgenden Erklärung wird deutlich, dass wir als Rotes Kreuz Hass, Rassismus und
Ausgrenzung nicht nur verurteilen dürfen, sondern Verantwortung übernehmen
müssen und in der Pflicht sind, aktiv dagegen anzugehen. Unser Grundsatz der
Neutralität bedeutet nicht, dass wir schweigen müssen.

Die anhaltende Welle von Black Lives Matter und anderen Protestbewegungen gegen Rassismus in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus hat die tief verwurzelten historischen und systemischen rassistischen Einstellungen und die Diskriminierung von Schwarzen und Farbigen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt - auch im humanitären Bereich und in unserer eigenen Organisation. Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung setzt sich dafür ein, alles Erforderliche dafür zu tun, dass Hass, Rassismus und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. In den letzten Wochen haben viele Kollegen in der Bewegung über ihre eigenen Erfahrungen oder Wahrnehmungen von Rassismus und Diskriminierung gesprochen. Viele haben Solidarität zum Ausdruck gebracht. Es besteht ein klarer kollektiver Wunsch nach Gleichheit und Würde bei der Behandlung aller Menschen – sowohl derer, denen wir dienen, als auch derer, die uns dienen. Dies ist auch eine weltweite Forderung nach gleichem Zugang aller Menschen - einschließlich Migranten, indigener Völker und Minderheiten - zu Nahrungsmitteln, Unterkünften, Gesundheitsversorgung, Bildung und uneingeschränkter Achtung des humanitären Völkerrechts. Einige der Gespräche in unseren Reihen waren schmerzhaft und unangenehm und enthüllten harte Wahrheiten über Rassismus und damit verbundene Diskriminierung. Dazu gehören fest verwurzelte Probleme von Machtungleichgewichten und subtilen, heimtückischen und unbewussten Ungleichheiten, die in unseren Strukturen und in unserer Geschichte verankert sind. Sowohl beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) als auch bei der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) haben wir zugehört, gelernt und uns einige ernsthafte und schwierige Fragen zu diesen Themen innerhalb unserer Organisationen gestellt. Wir müssen es besser machen und wir müssen besser werden. Die Ablehnung von Diskriminierung jeglicher Art steht im Mittelpunkt unserer Grundprinzipien und Werte. Unsere Grundsätze der Menschlichkeit und Unparteilichkeit verlangen, dass es keine Diskriminierung aufgrund von Nationalität, Rasse, religiöser Überzeugung, Klasse oder politischer Meinung gibt. Dies ist der Schlüssel, um sicherzustellen, dass das Leiden von Bedürftigen gelindert werden kann. Unser Grundsatz der Neutralität bedeutet nicht, angesichts von Rassismus und Gewalt zu schweigen. Die Grundprinzipien bilden den ethischen, operativen und institutionellen Rahmen für unsere Arbeit als weltweiter Bewegung. Ausgehend von unseren Grundsätzen ist es unsere Pflicht, das Streben nach Vielfalt voranzutreiben. Wir setzen uns ausnahmslos für den globalen Kampf um die Förderung und den Schutz der Rechte aller ein. Die Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung hat sich seit langem integrativem Initiativen verschrieben. Die besondere Struktur der nationalen Gesellschaften und unser globales Netzwerk integrieren Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlicher ethnischer Herkunft und religiösem Hintergrund. Unsere humanitäre Arbeit und Finanzierung erfordern jedoch, dass wir unser eigenes Verhalten, unsere Praktiken und Strukturen kontinuierlich überprüfen, um sicherzustellen, dass wir uns in Bezug auf Inklusion und soziale Gerechtigkeit an die höchsten Standards halten. Vor allem müssen wir sicherstellen, dass Worte auch in eine sinnvolle Realität übersetzt werden. Um dies zu erreichen, ist ein umfassendes Engagement in der gesamten Bewegung erforderlich. Wir wissen, dass das Erreichen einer echten Inklusion und Vielfalt zunächst in unseren Organisationen beginnen muss. Wir müssen die Zusammenhänge zwischen Diskriminierung, Machtungleichgewichten und Benachteiligung besser verstehen. Wir müssen die systemischen Barrieren abbauen, die Kollegen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Rasse oder ihres ethnischen und kulturellen Hintergrunds daran hindern könnten, Gleichstellung zu erreichen. Wir wissen, dass wir in dieser Hinsicht mehr zu tun haben. Aus diesem Grund möchten wir im Namen der Führung des IKRK und der Föderation unsere entschlossene und eindeutige Verurteilung des Rassismus in all seinen Formen zum Ausdruck bringen und uns dazu verpflichten, Schritte zu unternehmen, um ein Umfeld zu schaffen, das frei von jeglicher Diskriminierung innerhalb unserer Bewegung ist. Das beinhaltet:
  • auf allen Ebenen daran zu arbeiten,  den individuellen, strukturellen und kulturellen Wandel herbeizuführen, der sicherstellt, dass es in unseren Organisationen zu keinen Formen von Diskriminierung, Intoleranz oder Ausgrenzung aus rassistischen oder anderen Gründen mehr kommt.
  • den Aufbau eines unterstützenden, sicheren und integrativen Umfelds, um weiterhin ehrliche Gespräche über Rassismus und Diskriminierung zu fördern. Dies beinhaltet die Förderung schwieriger Fragen, um das gegenseitige Vertrauen, den Respekt und die Akzeptanz der Vielfalt und Andersartigkeit des Gegenüber zu verbessern. Dies beinhaltet auch die Stärkung des Verständnisses und der Unterstützung für bessere Praktiken innerhalb der Bewegung, damit alle mit ihrer Stimme gehört und respektiert werden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Beseitigung jeglicher Kultur der Angst oder Straflosigkeit.
  • die  Unterstützung von Opfern von Rassismus und Rassendiskriminierung und die aktive Zusammenarbeit mit allen Beteiligten und Partnern auf allen Ebenen, um so Bedingungen für die Sicherheit aller Personen oder Gemeinschaften zu schaffen, die von Rassismus oder Diskriminierung aus rassistischen Gründen betroffen sind.
  • die Sicherstellung, dass unsere institutionellen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Verpflichtungen jegliche Form von Rassendiskriminierung verhindern und strikt verbieten und dass Rassismus und Diskriminierung in unseren Verhaltenskodizes ausdrücklich verboten sind.
  • die Erneuerung unseres Engagements für die Weiterentwicklung der Grundprinzipien unserer Bewegung, die auf wirklich integrative humanitäre Maßnahmen abzielen, und Umsetzung von Aktivitäten, die einen Geist der Toleranz von Menschen unterschiedlicher Rassen fördern.
Das IKRK seinerseits verpflichtet sich zur Sicherstellung klarer und eindeutiger Erwartungen an seine Personalmanager, um nur ein konkretes Beispiel zu benennen. Das Führungsteam entwickelt eine Reihe unterstützender Richtlinien und Praktiken, um den organisationsweiten Fortschritt voranzutreiben.  Das IKRK ist auch fest entschlossen, Gemeinschaften in die Entscheidungen einzubeziehen, die sich auf ihr Leben auswirken, und die Machtdynamik und Ausschlussmuster zu durchbrechen. Die Föderation verpflichtet sich, daran zu arbeiten, die Verpflichtungen aus dem Versprechen für einen sicheren und integrativen Arbeitsplatz zu erfüllen, die auf der Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds im Jahr 2019 eingeführt wurden. Auf diese Weise kann die Föderation sicherstellen, dass die Organisation und die gesamte Bewegung so sicher, inklusiv und allen zugänglich ist wie möglich; dass Rassismus ausgerottet wird, wann und wo immer er in Erscheinung tritt; und alle offenkundigen, verborgenen oder unbewussten Vorurteile und Diskriminierungen innerhalb der Föderations-Systeme angegangen werden. Dies ist ausschlaggebend, um sicherzustellen, dass die Grundprinzipien eingehalten und alle Menschen mit Würde und Respekt behandelt werden. Die Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung hat die Verantwortung, zerstörte Gemeinschaften wiederaufzubauen. Wir alle in der Bewegung haben ein gemeinsames Ziel: das Leben der Menschen, die von Konflikten, Katastrophen und Krisen betroffen sind, positiv zu verändern. Wir setzen uns dafür ein, dass diese treibende Kraft auch für den Umgang miteinander in unseren eigenen Organisationen gilt. Wir verpflichten uns, unsere Grundprinzipien aufrechtzuerhalten und unsere Bewegung in Wort und Tat so umfassend und zugänglich wie möglich zu machen. Jagan Chapagain
Generalsekretär Föderation Robert Mardini
Generaldirektor IKRK      PDF-Datei
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