Ich befasse mich eigentlich viel mit Geschichte und auch mit solch schweren Themen wie Flucht. Und wenn man sich viel mit einem Thema oder einer Situation beschäftigt, glaube ich, neigt man schnell dazu zu denken, man verstehe es jetzt. Man verstehe wie sich das anfühlt. Man begreife die tiefere Bedeutung. Aber ich weiß auch, dass das zwar rein menschlich aber gleichzeitig eben sehr überheblich ist. Mir ist wichtig, mir immer klar zu machen: In Wirklichkeit werde ich das niemals auch nur annähernd begreifen. Und das nur aus dem einen Grund, dass ich aus einer Generation und Gesellschaftsschicht komme, die niemals annähernd ähnliches Leid empfunden hat. Die Probleme eines Nachkriegskindes, eines Flüchtlings, einer rassistisch diskriminierten Person (PoCs: People of Color), einer homosexuellen Person und vielen anderen, werde ich als nicht Betroffene (also als weiße, cisgender Person aus der Generation Z, die in Deutschland geboren ist), niemals wirklich in ihrem vollen Maße verstehen. Aber ich kann es versuchen. Und ich denke, dass es unglaublich wichtig ist, es zu versuchen. Denn es gibt so viele Probleme in der Welt und ich glaube, es wäre allein schon ein großer Schritt sich nicht nur mit seinen eigenen Problemen, sondern auch mit den Problemen anderer zu befassen. Aus dem gleichen Grund habe ich das Gefühl, dass mich das Projekt und solche Geschichten, wie sie mir Frau Kiehl erzählt hat, sehr stark weiter bringen. Ich frage mich, welche Probleme der Welt wir alle lösen könnten, wenn wir einander mehr zuhören würden. Und ich frage mich welche Probleme wir überhaupt noch hätten, wenn wir uns an nur ein paar grundlegende moralische Regeln halten würden.