In bewaffneten Konflikten dürfen Fahrzeuge und Personen, die das Rote Kreuz tragen, nicht angegriffen werden. Die Praxis sieht oft anders aus. Im Rahmen des diesjährigen Münsteraner Rotkreuzgesprächs am Donnerstag, 8. Oktober 2020 im Freiherr-von-Vincke-Haus der Bezirksregierung Münster berichteten Oberfeldarzt Dr. Michael Froneberg, Bundesministerium der Verteidigung, und Dr. med. Hanna Kaade, ehemaliger Arzt des Syrischen Roten Halbmonds und nunmehr unter anderem Gesundheitsberater des DRK-Generalsekretariats in Berlin, über ihre Erlebnisse in Afghanistan und Syrien.
Von dem nach wie vor „brandaktuellen und lebensgefährlichen Thema“ – dem Umgang und die Reaktion auf Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht – sprach Dr. Michael Froneberg in seinem Vortrag, in dem er über seine Einsätze bei der Bundeswehr in Afghanistan berichtete. „Auch in Zeiten von bewaffneten Konflikten muss es doch Standards geben, die ein Mindestmaß an Menschlichkeit ermöglichen“, sagte er und griff damit den ersten Grundsatz (Menschlichkeit) der sieben Rotkreuzgrundsätze auf. In Afghanistan erlebte er eine andere Realität: „Im Sanitätsdienst der Bundeswehr hatten wir in Afghanistan lange Zeit die Befürchtung, dass wir zur Zielscheibe werden könnten. Irgendwann war es dann auch so“.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung berichtete Dr. med. Hanna Kaade über seine Erfahrungen im Syrien-Konflikt. "Haben Sie sich jemals vorgestellt, dass Sie in einem Krankenwagen sitzen und während der Behandlung eines Patienten beschossen werden?" regte Dr. med. Hanna Kaade während seines Vortrages an und gab damit seinen Zuhörerinnen und Zuhörern erschütternde Einblicke in seine Erfahrungen im Syrien-Konflikt.
Weiter berichtete er über die Auswirkungen von Konflikten auf das Gesundheitssystem. Nach offiziellen Angaben kamen zwischen 2011 und 2017 814 Personen aus dem Gesundheitswesen in Syrien ums Leben. Die Dunkelziffer sei weitaus höher.
„Menschlichkeit ist im Roten Kreuz das alles überragende Ziel. Hilfe für andere kann nur dann erfolgen, wenn auch der Zugang zu den Betroffenen gewährleistet ist. Gerade in militärischen Auseinandersetzungen aber ist die bloße Gewährung des Zugangs dann völlig nutzlos, wenn dies nicht zugleich mit einem Schutz der Helfenden vor Angriffen und Übergriffen auf ihre eigene Person, die Betroffenen oder das benötigte Material verbunden ist“, hatte Dr. Fritz Baur, Präsident des DRK-Landesverbandes Westfalen-Lippe, in seiner Begrüßung zur Veranstaltung gesagt.
Am Schluss der Veranstaltung bekräftige Dr. Moritz Philipp Koch, Landeskonventionsbeauftragter des DRK-Landesverbandes Westfalen-Lippe, die Aussagen der Referenten: „Diejenigen, die unser Leben retten, sollten selbst nicht angegriffen werden. Die Erfahrungen von Dr. Michael Froneberg und Dr. Hanna Kaade zeigen jedoch, dass das nicht immer so ist.“
Zur Verbreitungsarbeit des DRK
Aufgrund seiner besonderen Stellung als nationale Hilfsgesellschaft wurden dem DRK gesetzlich festgeschriebene Aufgaben übertragen, die der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat aus den Genfer Abkommen erwachsen. Dazu gehören unter anderem die Verbreitung von Kenntnissen über das humanitäre Völkerrecht sowie die Grundsätze und Ideale der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung und die Unterstützung der Bundesregierung hierbei.
Mit Veranstaltungen wie dem Münsteraner Rotkreuz-Gespräch zum humanitären Völkerrecht informiert der DRK-Landesverband Westfalen-Lippe über Aspekte des humanitären Völkerrechts und die Prinzipien der Grundsätze des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes.
Foto Julia Ikstadt / DRK-Landesverband Westfalen-LippePressemitteilung als pdf-Datei